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Wie man als Gründer auf negative Kritik und Krisen reagiert


Wie geht man als Gründer mental damit um, wenn bei seinem stark wachsenden Startup Kritik im Team zunimmt? Wie geht man mit ersten Krisen um und hält hohen psychische Belastungen und Arbeitsdruck stand? Erfahrungen dazu aus meinem neuesten Coachingfall.



In unserem ersten Zoom Call erklärten mir die Gründer Martin, Christian und Florian ihr Thema. Sie hatten ihr Startup vor über einem Jahr gegründet. Nach sehr erfolgreichen ersten 12 Monaten waren sie auf über 70 Mitarbeiter angewachsen. Das Führungsteam setzte sich aus den drei Gründern und vier TeamleiternInnen zusammen. In den ersten Monaten richteten sie die operativen internen Prozesse ein, rekrutierten Personal, begannen den Markt zu bearbeiten und konnten schnell Kunden gewinnen. Das Führungsteam hatte seine Rollen schnell gefunden. Neue KollegenInnen traf man nach dem Onboarding ab und zu im Büro, ansonsten fand der überwiegende Teil der Arbeit im Homeoffice statt. Der Sommer wurde zu einem ersten gemeinsamen Teamevent genutzt, auf dem die Stimmung ausgelassen war. Wirtschaftlich lief es noch besser als erwartet. Ihre anfänglichen Selbstzweifel und Ängste vor der Gründung hatten sich als unbegründet erwiesen. Es ging stets bergauf - sie hatten bisher nur die Sonnenseiten des Startup Leben kennengelernt.


Dies sollte sich allerdings nach dem ersten Jahr ändern. Die Gründer und alle MitarbeiterInnen leisteten viele Überstunden, oft an der Belastungsobergrenze. Sie fühlten sich überarbeitet. Abschalten fiel immer schwerer. Zu intensiven und gehaltvollen Feedbackgesprächen mit den MitarbeiternInnen kam es aufgrund der hohen Auslastung viel zu selten. Als sie sich von einem ansonsten sehr beliebten Kollegen leistungsbedingt und nach vielen Gesprächen trennen mussten, wiegelte dieser andere MitarbeiterInnen gegen das Führungsteam auf. Die aufkeimende Kritik von ihren MitarbeiternInnen und neuerdings auch von einigen Kunden machte sie unsicher, ihr Selbstbewusstsein sank. Die Situation begann an ihnen zu nagen.


Das Startup war sehr erfolgreich im Markt und schnell gewachsen. Es gab eine hohe Auslastung und Arbeitszeiten hart an der Belastungsobergrenze. Das Führungsteam musste dabei viele Bälle zur gleichen Zeit balancieren. Nach über einem Jahr begann die Stimmung schlechter zu werden, sie erhielten ungewohnten Gegenwind. Es wurde Zeit Lehren aus der ersten Krise zu ziehen und etwas zu ändern. Um wieder motivierte Mitarbeiter und zufriedene Kunden zu haben.


Nach dem Vorgespräch und der Schilderung der schwierigen Situation verabredeten wir uns zu einem Team Coaching mit den drei Gründern und den vier TeamleiternInnen. Sie wollten kritisch hinterfragen, welche Fehler zur Krise geführt hatten und was sie in Zukunft ändern müssten. Mit welchen Mitteln, Fähigkeiten und Ressourcen sie ihr Startup und ihre MitarbeiterInnen jetzt entsprechend ihrer ursprünglichen Vision und Ihren Wertevorstellungen wieder in die Erfolgsspur bringen wollten.


Unabhängig von den Ambitionen seiner Gründer lautet das oberste Unternehmensziel aller Startups zunächst ganz allgemein Wachstum. Gründer müssen die teilweise erheblich gestiegene Komplexität der Organisation organisieren und steuern. Dies alles unter Zeit- und Kostendruck. Mit dieser Phase geht in der Regel ein Lernprozess der Gründer einher, der bei rasantem Wachstum (leider) oft zeitversetzt eintritt.


Neben den Kunden, die stets im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehen, sind es die Menschen, die eine Organisation prägen und erfolgreich machen. Bei einer Gründung werden neue MitarbeiterInnen ausgewählt und eingestellt, geschult und integriert. Teams müssen sich neu bilden, persönliche Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden, damit MitarbeiterInnen zusammenhalten und effektiv arbeiten können. Wenn die Arbeit zudem überwiegend remote stattfindet und die Grenzen zwischen beruflichem und privatem Umfeld immer mehr verschwimmen, dann ist es notwendig - anders als im analogen Umfeld - zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um MitarbeiterInnen kennenzulernen und nachhaltige Arbeitsbeziehungen zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem das bessere Kennenlernen der Interessen, der Hobbies und der gesamten Persönlichkeit der KollegenInnen. Es bedeutet, Gemeinsamkeiten zu entwickeln und auf Augenhöhe zu interagieren.


Um ihr Unternehmen attraktiv zu machen, schaffen erfolgreiche Gründer daher ein Umfeld, das genau die Menschen anzieht, die die Werte, den Zweck und die Kultur ihres Startups schätzen und mittragen wollen. Wenn die Werte in der Praxis allerdings nicht so gelebt werden wie versprochen, beginnt Unzufriedenheit aufzukommen, was letztlich zu einer schwierigen Situation und zur Krise des gesamten Unternehmens führen kann. Spätestens dann setzt der bereits erwähnte Lernprozess ein, der nichts anderes als eine berufliche Entwicklungsphase und eine Reifung der Gründer darstellt. Wenngleich auch verspätet.


Zurück zum Coaching. Zu Beginn unseres Coachings reflektierten Gründer und Teamleiter sehr selbstkritisch über Ihre persönlichen Erfahrungen mit ihren MitarbeiternInnen. Es bewahrheitete sich, dass sie sich zu wenig Zeit für ihre Teams genommen hatten. Feedbackgespräche wurden nicht so geführt, wie eigentlich geplant. Auch weil sie sich nicht gut vorbereitet dafür fühlten. Die interne Kommunikation ließ zu wünschen übrig. Die MitarbeiterInnen wurden nicht mitgenommen, nicht über die Entwicklung des Startups und die Erfolge am Markt informiert. Und letztlich fühlten sich Gründer und Teamleiter vom schnellen Wachstum überrollt und zunehmend gestresst. Von der negativen Kritik ihrer MitarbeiterInnen wurden sie überrascht und waren enttäuscht. Auch von der Art und Weise, wie sie vorgetragen wurde. Und sie hatten keine Erfahrungen, wie sie mit ansonsten beliebten MitarbeiternInnen umgehen sollten, von denen sie sich trotz aller Versuche leistungsbedingt trennen mussten. Sie waren sich einig darüber, dass sie Fehler gemacht hatten und dass sie etwas ändern mussten.


Um erste Ideen zur Lösung zu erarbeiten fragte ich daher: “Wie wäre es, wenn die Zusammenarbeit mit Euren MitarbeiternInnen genauso wäre, wie ihr es Euch wünscht? Wie war eure Idealvorstellung davon zu Beginn der Gründung?“ Die Gründer führten dazu aus, welche Werte sie zum Start des definiert hatten, auf denen ihr tägliches Handeln und der Umgang miteinander basieren sollten. Sie wollten ein menschlicher, integrer und wertschätzender Arbeitgeber mit Zusammenarbeit auf Augenhöhe und gegenseitigem Vertrauen sein. Sie wollten offen kommunizieren, Kritik fordern, annehmen und daraus lernen. Von diesem Zustand waren sie trotz aller Anstrengungen jedoch weit entfernt. Die Frage war also, mit welche Maßnahmen sie in diesen Zustand zukünftig erreichen könnten. Welche Fähigkeiten Sie zusätzlich entwickeln müssten.


Um dabei eine Hilfestellung zu geben, begann ich ihnen Anregungen, Ideen und Best Practice Beispiele an die Hand zu geben. Insbesondere ging es darum, wie man Kritik konstruktiv formulieren und richtig annehmen kann. Und was es bedeutet, dekonstruktive Kritik zu erhalten. Passend dazu besprachen wir Regeln, Formulierungen und Methoden zum Thema Feedback. In einem zweiten Themenblock besprachen wir Methoden um Widerstandkräfte zu stärken und um besser mit den Herausforderungen ihres wachsenden Unternehmens zurecht zu kommen.


Nach dem Input begann eine intensive Diskussion über die nächsten Schritte. Es herrschte Einigkeit darüber, dass sie ausgehend von Ihrem Leitbild und ihrer Unternehmenskultur eine ganzheitliche Personalstrategie auf den Weg bringen und auch leben wollten. Dazu beschlossen sie Grundlagentrainings in verschiedenen Themen wie effektives Feedback, Umgang mit Kritik, Kommunikation, Resilienz sowie Verbesserung der Arbeitsbeziehungen bei remote Work durchzuführen und in den täglichen Ablauf ihres Unternehmens zu integrieren.


Die Gründer hatten sich aufgrund des sehr schnellen Wachstums des Startups zu wenig um ihre MitarbeiterInnen gekümmert und damit in den Beginn einer Krise gesteuert, die sich auch auf ihre Kunden auswirkte. Aber sie nahmen die Krise als einen wichtigen Lernprozess an. Sie wollten sich und die MitarbeiterInnen dort weiterentwickeln, wo sie in der Vergangenheit Fehler gemacht hatten. Als Ergebnis des Coachings planten sie den Umgang mit Kritik bzw. Feedback und die Resilienzfähigkeit ihrer MitarbeiterInnen durch entsprechende Trainings zu verbessern. Zusätzlich planten sie Maßnahmen zum besseren gegenseitigen Kennenlernen der MitarbeiterInnen in Zeiten von Homeoffice zu verbessern.








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